So wirst du Journalist/in


Bei der Quellendankfeier 2023 in Bad Nauheim, von der ich in Bild und Text berichtete. (Foto: Christine Weckler)


Der klassische Weg

Schritt 1: 

Schreibkenntnisse bereits als Schüler/in durch privates Schreiben erwerben, beispielsweise von Kurzgeschichten, Teilnahme an Literaturwettbewerben wie bei der Ovag,  Teilnahme an der Schülerzeitung und an Fotokursen, um die Grundlagen des Fotografierens zu lernen. Wer mag, kann als Schüler/in schon probieren, Berichte bei der Zeitung unterzubringen, evtl. Pressemitteilungen eines Vereins (etwa in Rücksprache mit dem Vorstand).

Schritt 2: 

Ein Studium wählen, das den eigenen Neigungen entspricht. Eine gewisse Orientierung zu gesellschaftlich relevanten oder geisteswissenschaftlichen Fächern kann dabei nicht schaden.

Schritt 3:

Während des Studiums ist wichtig, eine Beziehung zu Redaktionen aufzubauen, indem man freie/r Mitarbeiter/in wird. Man erlangt dadurch Berufserfahrung und kann feststellen, ob einem dieser Job überhaupt liegt. Auch macht es Sinn, während des Studiums zu fragen, ob man ein Praktikum absolvieren kann. Das ist wichtig, um die andere Seite des Journalismus kennen zu lernen: die Arbeit am Schreibtisch in der Redaktion. 

Schritt 4: 

Bewerbung um ein Volontariat, das sich an ein Studium anschließen würde.

Wie kann man Praktikant/in werden?

Bei der Wetterauer Zeitung sollen meiner Erfahrung nach Freie Mitarbeiter/innen idealerweise 18 Jahre alt sein, damit sie auch Abendtermine übernehmen können. Um eine Chance zu haben, Praktikant/in zu werden, sollte man bereits studieren. Beim Kreis-Anzeiger (Nidda) kann man es auch als Schüler/in zumindest probieren. Es macht bei der Bewerbung Sinn, zu erklären, wieso man sich dafür interessiert, ob man ggf. gerne schreibt und fotografiert. Man sollte den klassischen Lebenslauf und idealerweise Schreibproben hinsenden.  

Das Thema Verdienst greife ich weiter unten auf. 


Und sonst so?

Es gibt auch andere Wege

Um Journalist/in zu werden, gibt es aber noch weitere Wege. Ich bin als Quereinsteigerin dazu gekommen, hauptberufliche freie Reporterin zu werden. Um das Jahr 2000 übernahm ich die Pressearbeit eines Vereins, dies aufgrund meines grundsätzlichen Interesses für das Schreiben. Ich hatte eine Schreibwerkstatt in dem Verein angeboten und insofern kam der Vorstand auf die Idee, ich könne die Pressearbeit übernehmen. Auf diese Weise kam ich in Kontakt vor allem mit der Wetterauer Zeitung, die ein Redaktionsbüro in Bad Nauheim hat und wo ich meine Texte persönlich abgab.

Vor- und Frühgeschichte, Buchhandel, Autorenclub

2001 suchte ich nach einer festen Stelle. Mein Sohn war in den Kindergarten gekommen; ich interessierte mich für einen Halbtagsjob und war für alles offen. So hatte ich mich beispielsweise für die Rezeption einer Arztpraxis beworben. Ursprünglich habe ich Vor- und Frühgeschichte studiert, aber nicht abgeschlossen, zudem eine Ausbildung zur Buchhändlerin und Buchhandelsfachwirtin absolviert. Seit 1999 leite ich den Autorenclub Wetterau.  

Eher aus Spaß beworben

Ich ging nun bereits auf die 40 zu und stellte fest, dass es in diesem Alter nicht mehr so einfach wie früher war. Eines Tages, etwas genervt von diversen Absagen,  schickte ich spaßeshalber eine Bewerbung als freie Mitarbeiterin an die Wetterauer Zeitung. Das war im Grunde nicht so ernstgemeint, da ich etwas Festes suchte. Aber ich bekam direkt am nächsten Tag eine Einladung zum Vorstellungsgespräch und machte zeitnah meinen ersten Pressetermin.

Freiberuflichkeit lag mir

Ich merkte sehr schnell, dass mir die freiberufliche Tätigkeit lag und sich diese gut mit der Kindererziehung verbinden ließ. Man ist als selbständige Reporterin vollkommen frei darin, welche Termine man annimmt und welche nicht. Das ist angenehm. Man arbeitet im eigenen heimischen Büro und nutzt eigene Betriebsmittel wie Laptop, Kamera, Pkw. 

Was sind die Pluspunkte?

Journalismus ist abwechslungsreich. Das kann ich vor allem aus der Warte einer freien Reporterin sagen. Man kommt viel herum, besucht spannende Veranstaltungen, lernt viele Menschen kennen, zu denen man sonst nie Zugang gefunden hätte. Immer wieder denkt man sich in neue Inhalte ein. Kurz, eine Routine und Langeweile stellt sich in der Regel nicht ein. In der Regel werden Journalist/innen zuvorkommend behandelt. Es ist immer wieder ein Erfolgserlebnis, einen Artikel, an dem man gearbeitet hat, gedruckt in der Zeitung zu sehen. 

Wie es sich entwickelte

Es wurde recht schnell mehr bei der Zeitung, ich überschritt rasch die Mindestverdienst-Grenze von – damals waren es vielleicht 400 €, heute sind es 520 €. Bald erfuhr ich, dass man als freie Journalistin in der Künstlersozialkasse sozialversicherungspflichtig ist und ich bemühte mich, dort aufgenommen zu werden. Dazu war es erforderlich, eine selbstständige, unabhängige Arbeitsweise nachzuweisen, wozu auch gehört, nicht weisungsabhängig zu sein, was ich nicht war, und verschiedene Auftraggeber zu haben, die ich bald hatte.

Künstlersozialkasse

Das Interessante an der Künstlersozialkasse ist, dass der Staat den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung übernimmt. Ansonsten müssten sich freie Journalisten privat krankenversichern und das wäre angesichts der knappen Honorare schwierig. 

Auf mehrere Bausteine setzen

Ich habe meinen Job über die Jahre ausgebaut, so dass ich es mittlerweile hauptberuflich mache. Dazu gehört nicht nur der Einsatz als "Rasende Reporterin", sondern auch das Übernehmen von Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise für Vereine, das Lektorieren schriftstellerischer Texte und Schreiben von Büchern.

Studium ist sinnvoll

Stünde ich heute erneut am Beginn meiner beruflichen Laufbahn und würde mir überlegen, Journalistin zu werden, ginge ich einen anderen Weg. So wie ich es gleich eingangs beschrieben habe. Ich begänne ein Studium, beispielsweise der Politik und würde parallel als freie Mitarbeiterin bei Zeitungen tätig werden. Zu einer freien Mitarbeiterschaft zu kommen, funktioniert so: Man liefert eigene Texte ein, teilt mit, dass das Schreiben Spaß macht, idealerweise, dass man über eine Kamera verfügt und fotografieren kann. Dann steht dem Ganzen häufig nichts entgegen, das ist meine Erfahrung. Bekommt man nicht gleich eine Antwort, sollte man ruhig hartnäckig bleiben. Die meisten Redaktionen probieren es ganz gerne mit interessierten Bewerbern aus. Alles weitere ergibt sich dann daraus, ob die Zusammenarbeit gut funktioniert oder nicht. 

Freie Mitarbeit, Volontariat

Davon, ob man als freie Mitarbeiterin bereits gute Kontakte zu einer oder mehrere Zeitungen hat, dürfte es entscheidend abhängen, ob man nach dem abgeschlossenen Studium ein Volontariat in der Redaktion absolvieren kann. Das Volontariat dauert zwei Jahre. Anschließend kann es sein, dass man als Redakteurin übernommen wird. Eine Garantie gibt es nicht.

Berufsbezeichnung ist nicht geschützt

Grundsätzlich kann man sagen, dass die Berufsbezeichnung Journalist/in nicht geschützt ist. Jeder, der einen Blog oder was auch immer betreibt, darf sich Journalist nehmen. Man wird aber nicht ohne Weiteres beispielsweise in den DJV aufgenommen, den Deutschen Journalistenverband. Dort muss man eine hauptberufliche Tätigkeit als Journalist nachweisen können, bei der man auch sein Geld verdient. Eine reine Tätigkeit über Blogs, ehrenamtlich, dürfte nicht reichen.

Quereinstieg

Da der Beruf nicht geschützt ist, kann jeder Quereinsteiger in einer Redaktion als Redakteur anfangen – zumindest theoretisch, sofern er denn eingestellt wird. Es gibt vereinzelt Redakteure,  die beispielsweise in der Anzeigenabteilung angefangen und sich hochgearbeitet haben. Es gibt Personen, die einen kostenpflichtigen Fernkurs absolvieren, aber das allein wird die wenigsten nach oben führen.

Studieren, was Spaß macht

Was sollte man studieren? Grundsätzlich empfiehlt es sich, genau das zu studieren, was einem Spaß macht. Möglicherweise gibt es Fächer, die sich besser eignen, wenn man Journalist/in werden will, als andere. Das Studium der Politik ist vermutlich geeigneter als das der Mathematik. Grundsätzlich geht es aber erst einmal um den akademischen Abschluss. Ich würde empfehlen, Politik, Germanistik, Geschichte, Sprachen, Soziologie, Volkswirtschaft oder Biologie und Umweltwissenschaften zu studieren, vielleicht sogar Jura oder Medizin. Es geht darum, bei bestimmten gesellschaftlichen Themen eine Expertise zu haben. Ganz wichtig ist, wie gesagt, die freie Mitarbeiterschaft während des Studiums bei der Presse. 

Journalismus-Studiengänge

Es gibt auch Studiengänge, die mit Journalismus zu tun haben. Fachjournalistik Geschichte in Gießen, Medienwissenschaften in Marburg sind Beispiele. Mitunter sind diese Studiengänge mit Numerus Clausus oder Wartezeiten verbunden. Vorsicht ist bei Fernkursen angebracht, die über ein Jahr gehen, Geld kosten und sich "Studium" nennen, in Wahrheit aber Fernunterricht bei einer Akademie sind und keine Ausbildung ersetzen. Als Hobby ist es natürlich keine schlechte Sache, sofern man Kosten um 2500 Euro investieren will. 

Privatschulen kosten

Es gibt eine private Medienhochschule in Frankfurt, die aber sehr teuer ist und hohe Studiengebühren pro Monat verlangt. Man sollte sich reiflich überlegen, ob man in so etwas wirklich investieren möchte. Oder kann.

Mitunter hohe Bewerbungshürden

An renommierte Journalisten-Schulen zu kommen, wie die Henry-Nannen- oder Axel-Springer-Schule, dürfte relativ schwer sein, da dort die Anforderungen sehr hoch sind und man ein schwieriges Aufnahme-Procedere hinter sich bringen muss.

Kein Job zum Reichwerden

Das Geldverdienen ist etwas problematisch im Journalismus. Freie Journalisten verdienen sehr schlecht. Die Budgets sind ganz niedrig, zumindest in den Bereichen, die ich kenne. Davon zu leben ist nur mit einer asketischen Lebensweise und sehr viel Fleiß denkbar. Jeden Tag der Woche beruflich aktiv sein, keinen Urlaub, kein Wochenende, das gehört durchaus dazu. Für Redakteure, die fest angestellt werden, gibt es einen Tarif. Die Frage ist aber, ob der Arbeitgeber den Tarif wirklich bezahlt, denn nicht alle Zeitungsverlage sind an den Tarifvertrag gebunden. 

Tariflöhne

Auf jeden Fall sind die Gehälter im Gegensatz zu früher nicht mehr so hoch. Aber natürlich kann man damit sein Auskommen haben, weswegen ich jedem Berufsanfänger empfehlen würde, den Weg über eine Festanstellung zu gehen. Der Weg einer freiberuflichen Reporterin bietet sich eher für Menschen an, die in einem anderen Beruf vielleicht nicht so glücklich waren, etwas neben der Kindererziehung machen wollen oder zusätzlich zu ihrem Job noch die Zeit haben, an den Wochenenden zu arbeiten. Es gibt durchaus Menschen, die eine feste Anstellung haben und am Samstag/Sonntag als freier Journalist noch etwas dazu verdienen.

Hat Journalismus eine Zukunft?

Es gibt ein gewisses Zeitungssterben, da immer mehr Menschen ihr Informationen aus dem Internet beziehen. Um aber vollständig im Bild zu sein, ist es wichtig, Zeitung zu lesen. Ein unabhängiger Journalismus ist für die Erhaltung der Demokratie wichtig. Das Wort "Lügenpresse" kann auf Zeitungen so gut wie keine Anwendung finden, auch wenn es vielfach anders behauptet wird. Die meisten Zeitungen arbeiten weitgehend objektiv und ausgewogen; deswegen muss es für sie eine Zukunft geben. Mittlerweile gibt es sogar ehrenamtliche Initiativen wie beispielsweise die "Internetzeitung für Rhein-Main und Mittelhessen Der Neue Landbote". Es wäre wichtig, dass die Bundesregierung einen gemeinnützigen Journalismus zu lässt, sprich ehrenamtliche initiativen Vereine gründen und Spenden einwerben können. Doch das kommt bis jetzt noch nicht richtig in Gang, obwohl vielfach gefordert.

Die Leidenschaft ist wichtig 

Ganz wichtig ist, die Leidenschaft für das Schreiben und den Journalismus zu haben. Es muss einem Spaß machen, sich in wechselnde Themen einzudenken, mit wechselnden Menschen zu tun zu haben und man muss sehr gerne schreiben. Das gehört auf jeden Fall dazu. Eine intrinsische Motivation.

Nicht einschüchtern lassen

Ein Gerücht ist, dass Journalisten sehr selbstbewusst und forsch sein müssen. Ich war, als ich angefangen habe, sehr schüchtern und konnte mir eigentlich gar nicht vorstellen, als Journalistin aufzutreten. Ich konnte zwar schreiben, aber war eher ruhig und zurückhaltend. Mit der Zeit hat sich allerdings erwiesen, dass gerade die Zurückhaltung andere Menschen animiert hat, mir zu vertrauen. Mit der Zeit wurde ich immer selbstbewusster und forscher, hatte keine Angst mehr, hochrangigen Personen gegenüber zu treten und mich mit ihnen zu unterhalten oder Menschen einfach anzusprechen. Es ist eine Eigenschaft, die sich mit der Zeit entwickelt.

Fazit

Es gibt viele unterschiedliche Wege, nichts davon ist falsch, wenn man die Liebe zu dem Beruf hat und mit dem Schreiben seinen Lebensunterhalt verdienen möchte.  

Viel Erfolg!

Infos zu einem Workshop bei der Berufsbörse an der Singbergschule Wölfersheim am Samstag, 04.11.23.








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